HRV Biofeedback: Grundlagen der Herzratenvariabilität
„Wenn das Herz so regelmäßig wie das Klopfen eines Spechtes oder das Tröpfeln des Reges auf dem Dach wird, wird der Proband innerhalb von vier Tagen sterben“.
sagte schon der chinesische Arzt chinesische Arzt Wang Shu-he im 3. Jahrhundert, der erkannte, dass die Variabilität des Herzschlages ein Anzeichen für die Gesundheit eines Probanden ist.
Wir wissen heutzutage, dass er recht hatte. Natürlich war seine Aussage eher allgemein formuliert, aber 8 Tage vor dem Herzstillstand schlägt der Herz eines Menschen tatsächlich schneller und 13 Stunden vor Tod beginnt es beinahe vollkommen regelmäßig zu schlagen. Heute ist die Erhebung solcher Daten mittels elektronischer Methoden natürlich weitaus einfacher.
HRV Training und Analyse mittels Biofeedback
HRV Biofeedback wird im Allgemeinen in 2 Bereiche unterteilt, nämlich die Analyse und das HRV Training.
HRV-Erfassung und Analyse
Bei der Analyse wird erhoben wie ausgeprägt die Variabilität des Herzschlages ist. Dies findet meist entweder im Rahmen von Kurzzeitdiagnostik oder 24h-Speichermodusen statt. Gerade bei kurzen Erfassungen muss aber großer Wert auf Artefaktfreiheit gelegt werden (bei langen Erfassungen werden diese eher herausgemittelt).
Eine Speichermodus muss natürlich nicht exakt 24h lange sein, eine solche ganztätige Erfassung hat aber den Vorteil, dass man die HRV im Tagesverlauf erheben und Auffälligkeiten (Arbeit, Sport…) erkennen kann.
Gemäß einer Norm werden bei HRV Biofeedback die Erhebungen in 5 Minuten-Abstände unterteilt. Man muss sich auch wenige Sorgen machen, dass die HRV durch die Tagesverfassung beinflusst wird – sie ist (abgesehen von Aspekten wie Fieber und Medikamenten) ein recht stabiler Wert.
HRV Training mittels Biofeedback
Natürlich wollen wir nicht nur die HRV erheben, sondern diese gegebenenfalls auch trainieren. Hierzu gibt es mehrere Wege.
Auf der einen Seite hilft bereits allgemeines Entspannungstraining meist dabei die HRV zu verbessern. Genutzt wird häufig ein Atembiofeedback. Die Theorie hinter dieser Vorgehensweise ist, dass ein gestresster Organismus so sehr am „oberen Limit“ arbeitet, dass bereits dadurch kaum eine Möglichkeit zur Variabilität gegeben ist. Eine Rückmeldung des Herzschlags ist bei diesem Training oft gar nicht notwendig (er kann aber im Hintergrund geerfassen werden).
Der bekannteste Weg zum Ausbau der HRV ist das Training der respiratorischen Sinusarrythmie. Diese bezieht sich auf den Umstand, dass der Herzschlag beim Einatmen schneller und beim Ausatmen langsamer wird. Der Proband sieht Atmung und Herzsschlag gleichzeitig (z.B. als übereinander gelegte Kurven) und lernt diese zu synchronisieren. Oft ist dafür nichtmal unbedingt das aktive Tun wichtig, sondern eher das passive Passieren-Lassen.
Beispielhafte Anwendungsgebiete
HRV Biofeedback bei Stress, Depression und Angst
Bereits nach nach 4-5 Wochen zeigte sich eine Reduzierung der Symptome von Stress, Angst, und Depression12. Probanden wiesen nach einer Behandlung mit HRV-Biofeedback niedrigere Depressionswerten und eine verbesserte Herzratenvariabilität auf. Auch Angst und Herzschlag verringerte sich3.
Bluthochdruck
HRV-Biofeedback führte zu einer Verbesserung des Baroreflexes, der autonomen Funktion und Reduzierung des Blutdrucks4.
HRV Biofeedback im Leistungssport
Ein Leistungssportler erlernte hier (erfolgreich) mittels HRV Biofeedback seine Trainingsleitungen auch in Wettkampfsituationen abrufen zu können5.
Quellen:
- Purwandini Sutarto, A., Abdul Wahab, M. N., & Mat Zin, N. (2012). Resonant breathing biofeedback training for stress reduction among manufacturing operators. International Journal of Occupational Safety and Ergonomics, 18(4), 549-561.
- Ratanasiripong, P., Kaewboonchoo, O., Ratanasiripong, N., Hanklang, S., & Chumchai, P. (2015). Biofeedback Intervention for Stress, Anxiety, and Depression among Graduate Students in Public Health Nursing. Nursing research and practice, 2015.
- Siepmann, M., Aykac, V., Unterdörfer, J., Petrowski, K., & Mueck-Weymann, M. (2008). A pilot study on the effects of heart rate variability biofeedback in patients with depression and in healthy subjects. Applied psychophysiology and biofeedback, 33(4), 195-201.
- Lin, G., Xiang, Q., Fu, X., Wang, S., Wang, S., Chen, S., … & Wang, T. (2012). Heart rate variability biofeedback decreases blood pressure in prehypertensive subjects by improving autonomic function and baroreflex. The Journal of Alternative and Complementary Medicine, 18(2), 143-152.
- Lagos, L., Vaschillo, E., Vaschillo, B., Lehrer, P., Bates, M., & Pandina, R. (2008). Heart rate variability biofeedback as a strategy for dealing with competitive anxiety: A case study. Biofeedback, 36(3), 109.
Erfassung der Herzratenvariabilität
Was wird genau geerfassen?
Die HRV betrachtet im Konkreten die Abstände zwischen zwei Herzschlägen, dieser Abstand wird als RR-Intervall bezeichnet (manchmal auch als NN-Intervall). In der Regel sind diese Intervalle nicht gleich lang, sondern weisen eine Varianz auf. Die Erfassung dieser Schwankung ist, was wir als HRV bezeichnen.
Technische Durchführung der Erfassung
Erfassung über einen Fingersensor
Einerseits kann die HRV über einen Fingersensor geerfassen werden (misst über Pulsoxymetrie den Herzschlag). Für HRV-Training wird diese Variante durchaus regelmäßig genutzt, genauer ist aber ein…
EKG-Sensor
Am besten findet die Erfassung über einen EKG-Sensor statt, welcher z.B. am Rippenbogen oder den Armen angebracht werden kann. Die Auflösung sollte hier aber bei mind. 1khz liegen.
Respiratorische Sinusarrythmie
Hinter diesem komplex wirkenden Wort versteckt sich die bereits oben gennante Reagibilität des Herzschlags auf die Atmung, welche sich als idealer HRV-Parameter gezeigt hat. Der Proband kann durch die gleichzeitige Rückmeldung von Atmung und Herzschlag erlernen, diese Werte in Einklang zu bringen. Studien haben gezeigt, dass die RSA bei positiven Emotionen steigt und bei negativen Emotionen wie Angst oder Stress sinkt.
Während einerseits also ganz generell Atembiofeedback dazu angewandt wird über eine entspannte Atmung die HRV zu verbessern, kann durch der Proband durch die gleichzeitige Rückmeldung von Atmung und Herzfrequenz erlernen diese Werte in Einklang zu bringen.
Interpretation der Herzratenvariabilität
Die Erfassung der HRV ist eine Sache, die Interpretation eine andere. Oft sieht man bei der RSA zwar schon auf den ersten Blick auffällige Werte (z.B. einen Herzschlag, welcher gar nicht auf die Atmung reagiert), aber Kennwerte helfen bei der Interpreation ungemein.
HRV Biofeedback Werte
Anbei sehen Sie einen Output aus einer HRV-Analyse der Biolife-Software. Einige dieser Werte werden wir nun gemeinsam besprechen.
SDNN
SDNN ist die Standarabweichung aller RR-Intervalle, bzw. die Varianz über die gesamte Erfassung. Ist die SDNN also hoch, spricht dies für eine hohe HRV. Für eine gute Vergleichbarkeit muss aber die Messdauer und Aktivität zwischen Probanden und Zeiträumen stabil sein. Auch das Alter wirkt sich auf die SDNN aus.
PNN50
Mit PNN50 wird die prozentuale Menge all jener Intervalle angezeigt, welche um mindestens 50 Millisekunden vom vorhegenden Intervall abweichen. Es handelt sich um einen Wert der stabiler und unempfindlicher ist, als die SDNN.
VK (Variationskoeffizient)
Dieser Wert ist für den ersten Blick sehr praktisch – je größer er ist, desto größer ist auch die HRV. Inhaltlich bezieht er sich auf die auf den Mittelwert bezogene Standardabweichung der RR-Abstände.
Fazit
Die Arbeit mit der Herzratenvariabilität gehört zu den faszinierendsten Teilbereichen der Psychophysiologie. Ein wesentlicher Vorteil von HRV Biofeedback ist die Möglichkeit die HRV nicht nur zu erfassen, sondern auch auszubauen.
Regelmäßig werden neue Studien veröffentlicht, welche die Wirksamkeit der Methode zeigen – die HRV kann definitv als ein Biofeedback-Trend bezeichnet werden, der anhalten dürfte. Ein wesentlicher Vorteil ist (neben der mittlerweile möglichen einfachen Anwendung), dass die meisten Probanden das Konzept rasch verstehen und damit auch schnell akzeptieren.
Quellen und weitere Infos: viele Informationen zur HRV stammen aus dem Grundlagenwerk von Frau Dr. Eller Berndl: Eller-Berndl, D. (2010). Herzratenvariabilität. Verlag-Haus d. Ärzte.